Vortrag im Haus des Deutschen Handwerks
08.12.2017 · Jan van Dorp
Heute.
65 Jahre Bundeszentrale für politische Bildung, diese 1952 gegründet als Bundeszentrale für Heimatdienste.
Ein Rückblick mit Ausblick.
Zeitwende
Villa Ermekeil, Baujahr 1901 und das Bürogebäude Haus des Deutschen Handwerks, Baujahr 1952, Bauherr Zentralverband des Deutschen Handwerks.
Wie konnte es zu diesem Ensemble kommen?
Die Villa Ermekeil wurde gebaut im Jahr 1901 für die Witwe des Johann Heinrich Ermekeil. Der Vermögensstand der Witwe wird beschrieben als „einfache Millionärin“.
Die Baugenehmigung wurde am 4. Oktober 1900 erteilt, am 9. September 1901 erfolgte die Schlussabnahme. Das Gebäude war geplant als Hälfte einer Doppelvilla, die benachbarte Haushälfte wurde allerdings erst im Jahr 1952als Bürogebäude des Hauses des Deutschen Handwerks angefügt.
In diese Zeit will ich Sie gerne mitnehmen.
Zweiter Weltkrieg in Bonn
Die bis dato weitgehend unzerstörte Universitätsstadt wurde am 18.10.1944 Ziel eines gewaltigen Luftangriffs. Hintergrund dieses Bombardements war ein Testlauf für ein von den Alliierten neu entwickeltes radargestütztes Navigationssystem für Flugzeuge, das es ermöglichen sollte, präzise Tagesangriffe auf strategische Ziele durchzuführen. Die Reichweite der Radarunterstützung betrug 200 Km. Die Bodenstation befand sich bei Nancy.
Bonn wurde ausgewählt, um die Auswirkungen eines Flächenbombardements auf eine weitgehend unzerstörte Altstadtstruktur mit der vorherrschenden Bauweise von Holzdecken Holztreppen und Holzdachstühlen zu erproben.
Im Ergebnis wurde rund 33 % des gesamten Gebäudebestands der Stadt Bonn zerstört, so auch fast die gesamte Innenstadt, das alte Rathaus, die Klinik am Rhein, das Stadttheater und ebenso die Universität, ausgerechnet am Jahrestag ihrer Gründung. Es sind 1.900 Tote zu beklagen.
Am 9. März 1945 ist der Krieg in Bonn beendet, die stark zerstörte Stadt wird an die amerikanischen Truppen übergeben. Die Stunde Null.
Zeitsprung
Am 1.9.1948 erfolgt mit einem Festakt die Einsetzung des parlamentarischen Rats im Museum König.
Am 10. Mai 1949 fällt mit 33 zu 29 Stimmen die Entscheidung, dass der Parlamentarische Rat zukünftig in Bonn und nicht in Frankfurt tagen soll.
Am 23. Mai 1949 verkündet der Parlamentarischen Rat das Grundgesetz. Präsident des Parlamentarischen Rats ist Konrad Adenauer.
Am 3. November 1949 fällt der sogenannte Hauptstadtbeschluss positiv für Bonn aus. Der Deutsche Bundestag bezieht das „weiße Haus am Rhein“, die Pädagogische Akademie.
Rückblende
1948, an der Technischen Hochschule Fridericiana in Karlsruhe stellte der Professor für Architektur, Egon Eiermann, (Abgeordneten Hochhaus Langer Eugen) seinen Studenten eine Semesteraufgabe: “Planen Sie eine Siedlung für eine Zeit, in der es wieder Bananen gibt.“ Der bestbenotete Student erhielt ein für damalige Vorstellungen unvorstellbares Stipendium: Einen einjährigen Studienaufenthalt am MIT in Cambridge in den USA. 1949 tritt der Stipendiat seine Reise an und trifft dort auf eine vollkommen unbekannte Welt, er trifft Architekten wie Frank Lloyd Wright, Mies van der Rohe, Walter Gropius.
Eine gestalterisch und konstruktiv revolutionäre Architektursprache mit Symbolcharakter, wie beispielsweise das UN-Building mit seiner transparenten Glasfassade. Die Architektur spiegelt Optimismus, Aufbruchsgeist und Transparenz. Mut, bekannte Gestaltungswege und Konstruktionszwänge zu verlassen.
Im Jahr 1950 gründet dieser ehemalige Student sein Büro in Bonn. Sein Name ist Ernst van Dorp.
Zeitgleich
1952, politische Aufbruchsstimmung in Bonn. Die Bundeszentrale für Heimatdienste wird gegründet.
Es bildet sich auch ein erwachendes Selbstbewusstsein von Verbänden und Institutionen, die dem Würgegriff der Gleichschaltung im Dritten Reich lebend entronnen sind. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks möchte seine Leistungsfähigkeit in einem neuen Bürogebäude unter Beweis stellen und schreibt einen Architektenwettbewerb für den Neubau auf dem Grundstück der Villa Ermekeil gegenüber dem Museum König aus. Die städtebaulichen Vorgaben sind mit der Stadt Bonn abgestimmt.
Der Siegerentwurf von Ernst van Dorp setzt sich mutig über diese Festsetzungen hinweg und präsentiert ein zweiflügeliges Gebäude, das den Anschluss an die historische, fünfzig Jahre alte Villa Ermekeil sucht, über das vier geschossige komplett verglaste Treppenhaus als Gelenk einen Rücksprung von der Straßenfront vollzieht, und mit dem ebenfalls zurückgezogenen zweiten Flügel einen eigenen Platzraum vor dem Museum König formuliert. Die in der Straßenfront stehende Platane, eigentlich sollte sie ja dem Neubau weichen, blieb erhalten, so dass der Platz vor dem Neubau auch von Beginn an baumbestanden war. Baubeginn ist ebenfalls 1952.
Das transparente Treppenhaus, die Lochfassade aus Muschelkalk mit den großformatigen Fensteröffnungen, das Materialspiel mit Richtungswechsel in der Verlegung bei Stütz- oder Ausfachungselementen, das Staffelgeschoss als Pergola, (1953 verglast und geschlossen). War das eine Übersetzung der Formensprache der Villa Ermekeil in die »moderne Nachkriegszeit«? Im Inneren zeigt im großzügigen Treppenhaus das Schlosserhandwerk seine Handwerkskunst in der modernen Geländergestaltung.
In einem Artikel des General Anzeigers vom 5.11.1953 zur Eröffnung des Gebäudes liest man:“ Ein Schmuckstück dieser durch die vier Geschosse führenden Halle ist die Treppe, die leicht und elegant gradlinig emporführt. Die Trittstufen und die Handleisten aus afrikanischem Rosenholz auf Stoßstufen aus schwarzem Eifelmarmor unterstreichen das Beschwingte der Formgebung besonders. (…) Das Treppenhaus ist vornehm und repräsentativ gestaltet, ohne prunkhaft zu sein.“ Es gibt feine indirekte Beleuchtung an Decken und Wänden, Einbauschränke spiegeln das Können des Schreinerhandwerks.
Die bunten Mosaikfenster an einem Kopfbau loben die abstrakte Glaserkunst. Der überhöhte Sitzungssaal ist vertäfelt mit Furnieren aus Nussbaum- und Rio-Palisanderhölzern.
Auch die Innenausstattung des Aufenthaltsraums wurde nach eigenen Entwürfen von einem hannoverschen Handwerksbetrieb hergestellt, wieder zitiere ich aus dem General Anzeiger vom 5.11.1953, »der gesamte Raum ist licht und nach modernen Grundsätzen gestaltet. So atmet der gesamte Neubau an der Koblenzer Straße den Geist einer glücklichen Verbindung von bester handwerklicher Tradition mit den Elementen moderner Innenarchitektur.«
Zur Einweihungsfeier im Jahr 1953 waren, entsprechend der Bedeutung des Gebäudes, auch der Bundespräsident Heuss und der Bundeskanzler Konrad Adenauer anwesend.